Im Interview mit Kevin Gniosdorz

Herzlichen Glückwunsch zur Wahl zum Landesvorsitzenden der Jungen Union NRW. Kurz und knapp, was sind deine politischen Prioritäten und Schwerpunkte für die nächsten Jahre?

Ich bin der festen Überzeugung, dass es einen Unterschied macht, welche Partei gerade das Land regiert und dass eine pragmatische christdemokratische Regierung zur Bewältigung der bestehenden und noch kommenden Krisen gebraucht wird. Damit die CDU auch Wahlerfolge einfährt, braucht es eine starke Junge Union – das haben wir nicht zuletzt im Vorfeld der erfolgreichen Landtagswahl 2022 gesehen. Darum kurz und knapp: Ich will, dass wir der mitgliederstärkste Verband in Deutschland bleiben und mit 22.000 JU-Mitgliedern dieses Land von Bad Wünnenberg bis Euskirchen voranbringen. Ich will, dass die JU NRW inhaltlich und als Kampagnenmotor wirkt, um dem Wohle der Menschen in Nordrhein-Westfalen und Deutschland sowie unserer eigenen Zukunft zu dienen. Und neben der Verbandsarbeit möchte ich, dass wir uns inhaltlich auch tiefgreifend mit den drängenden Problemen unserer Zeit auseinandersetzen, anstatt für den kurzen medialen Erfolg oberflächliche Schlagwörter und Phrasen zu produzieren.

Kannst du uns etwas über dich selbst erzählen? Wer bist du und was hat dich dazu gebracht, dich politisch zu engagieren?

Ich bin 31 Jahre alt und komme aus dem Paderborner Land – genauer gesagt aus Bad Wünnenberg – wo ich aufgewachsen bin, Fußball gespielt habe, seit 2014 im Stadtrat sitze und seit 2020 Fraktionsvorsitzender sein darf. Beruflich arbeite ich im Projektmanagement und entwickle unter anderem regionale Entwicklungsstrategien. Politisch geprägt hat mich vor allem die Zeit als Kreisvorsitzender der Jungen Union Paderborn sowie Bezirksvorsitzender in Ostwestfalen-Lippe. In den sechs Jahren als Kreisvorsitzender konnte ich viel politisches Handwerkszeug lernen und wichtige Erfahrungen für mein späteres Leben sammeln. Mein Eintritt in die Junge Union war tatsächlich recht unspektakulär. Als jemand aus einer katholisch geprägten Gegend fand ich eine Partei, die Christdemokratie im Namen trägt, direkt ansprechend. Außerdem waren meine Eltern als Spätaussiedler große Helmut-Kohl-Fans. Dass ich mich politisch dann am ehesten in der CDU verorte, war für mich schnell klar. Als ich mit CDU-Mitgliedern meiner Heimatstadt ins Gespräch kam und über kommunale und überregionale Ziele gesprochen hatte, bin ich in die JU eingetreten.

Ich habe im Vorfeld unseres Interviews einen Rheinländer gefragt, was man denn von einem Westfalen erwarten dürfte. Er sagte wir seien mürrisch, nüchtern, aber dafür auch authentisch und ehrliche Häute.
Meinst du, diese Erwartungen erfüllen zu können?

Ja.

Nicht nur du bist neuer Landesvorsitzender, sondern auch mit deinem Vorstand hält ein Generationenwechsel Einzug. Ihr macht den Eindruck, schon jetzt sehr gut eingespielt zu sein. Mit welchem Fußballteam ist deine Mannschaft am besten zu vergleichen?

Tatsächlich haben wir viele neue Landesvorstandsmitglieder, aber selbst die Jüngeren können bereits viel Erfahrung in JU-Gremien vorweisen. Die Fußballfrage ist für mich als leiderprobten Schalke-Fan nicht ganz einfach. Aber abgesehen davon, dass die JU NRW erfolgreich war und ist, kann man Parallelen zu den Blau-Weißen ziehen: Kampfgeist und Siegeswille beispielsweise sind gute Attribute, die auch uns beschreiben.
Wäre nicht die Junge Union NRW gewesen, die trotz kippender Stimmung im Landtagswahlkampf 2022 voll durchgezogen hätte, wäre die Wahl für die CDU schlechter ausgegangen. Auch dass wir zusammenhalten und die Stärken eines Teams mit verschiedenen Charakteren nutzen, halte ich für passend. Anders als Schalke will ich aber akribischer und strukturierter arbeiten. Da sehe ich ausnahmsweise die Arbeit von Jürgen Klopp als Vorbild. So wie eine Fußballmannschaft gut vorbereitet und mit einer situativ anpassbaren Taktik vorgehen sollte, soll auch die JU NRW inhaltlich sehr gut vorbereitet und strategisch intelligent arbeiten.

Noch eine letzte Frage zur Verbandsarbeit, bevor wir uns voll und ganz den Inhalten widmen. Was wird sich in der Organisation der JU NRW ändern und worauf dürfen sich unsere wichtigsten Einheiten, die
Kreisverbände, in Zukunft freuen?

Die Junge Union ist keine Elitenorganisation, die von oben gesteuert wird, sondern lebt von ihrer Basis: Über 20.000 Mitglieder in Nordrhein-Westfalen, die in 54 Kreisverbänden und fast 400 Stadt- und Gemeindeverbänden organisiert sind. Das ist die klare Ausgangslage, von der wir unsere Arbeit ableiten müssen. Daher muss sich der Landesverband vor allem als Dienstleister für die untergeordneten Verbandsebenen sehen. Eine Kreisvorsitzende oder ein Stadtverbandsvorsitzender sollen sich nicht lange
mit Lizenzen für Tools für Onlineabstimmungen oder Videokonferenzen herumschlagen müssen. Das kann der Landesverband im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten auch einheitlich anbieten. Vorlagen für Social-Media-Posts, Protokolle und Tagesordnungen oder Best-Practice-Beispiele der Verbandsarbeit können in einer Cloud zentral für alle Funktionsträger abgelegt werden. Während unserer Landesvorstandsklausurtagung kam eine spannende Idee auf, einen JU-Chatbot zu initiieren, der mit Chat GPT verknüpft ist. Diesem könnte man als JU-Mitglied alltägliche Fragen aus der JU Verbandsarbeit stellen, wie zu den Förderbedingungen des Landesjugendplans. Solche Punkte, die die Arbeit vor Ort erleichtern, möchte ich schnell angehen.

In Funktionsträgerkonferenzen möchte ich noch dieses Jahr dezentral im Land verteilt unseren Machern vor Ort eine Plattform für den Erfahrungsaustausch untereinander bieten. Abgerundet werden sollen diese Veranstaltungen durch Schulungsangebote für die Arbeit in den Verbänden vor Ort. Darüber hinaus kann jedes Mitglied – ob nun seit Jahren engagiertes Kreisvorstandsmitglied oder erst vor Kurzem eingetretenes Neumitglied – sich in einem der 16 Arbeitskreise inhaltlich einbringen und mit seinen
Stärken die JU NRW und folglich hoffentlich auch unser Land voranbringen. Die Arbeitskreisleiter sind angehalten, nicht nur regelmäßige Veranstaltungen anzubieten, sondern Positionierungen für den Landesverband zu erarbeiten und Fact Sheets herauszubringen, mit denen sich jedes Mitglied eine Meinung zu bestimmten Themen bilden kann. Beim Atomkraftausstieg haben wir damit bereits testweise gestartet und tolle Reaktionen darauf bekommen, mit denen wir weiterarbeiten.

Lass uns über das Thema Energieversorgung sprechen. Wie viel Sorgen bereitet dir die Sicherheit unserer Energieversorgung?

Die Versorgung eines Industrielandes mit bezahlbarer Energie ist eine zentrale Herausforderung unserer Zeit. Ich sehe es sogar als eine Schicksalsfrage. Die Art und Weise, wie wir als Gesellschaft damit umgehen, wird darüber entscheiden, ob wir uns als wohlhabende Industrienation behaupten können oder ob wir im Vergleich zu Ländern wie den USA, China, den Ländern der arabischen Halbinsel und in Zukunft auch Indien hinterherhinken werden. Dass plötzlich die Lichter ausgehen, ist aufgrund des europäischen Verbundsystems kein realistisches Szenario. Das liegt dann aber daran, dass wir in sogenannten Dunkelflauten Atomstrom aus Frankreich und Belgien und Braunkohlestrom aus Polen und Tschechien importieren werden, was wenig mit ernst gemeintem Klimaschutz zu tun hat. Die eigentliche Gefahr liegt jedoch in den steigenden Energiepreisen , nicht in Blackouts. Für Privathaushalte wird ein dauerhaft hoher Energiepreis zu sozialen Verwerfungen und signifikanten Wohlstandsverlusten führen. Für die Wirtschaft wird dadurch der Standort unattraktiv, Produktionen werden ins Ausland verlegt oder komplett geschlossen, was wiederum zum Wegfall von Arbeitsplätzen führt. Wir müssen hier dringend aufpassen, dass wir in den 20er Jahren nicht unsere Zukunft verspielen. Verbotsorgien und moralisch überhöhte Selbstkasteiung werden dann nicht nur zu immensen Wohlstandsverlusten führen, sondern auch keinen Mehrwert für den Klimaschutz erbringen – also eine lose-lose Situation.

Eine langfristige und ökologische Lösung zur Sicherstellung der Grundlast ist für viele entwickelte Länder der Welt die Atomkraft. Ist sie das auch noch für uns?

Offensichtlich nicht mehr für Deutschland, was ich in unserer Situation für völlig fahrlässig halte. Der Plan für die deutsche Energiewende war Folgender: Mit günstigem Gas aus Russland und dem Neubau von Gaskraftwerken sichern wir uns die Abdeckung für Spitzenlasten und erkaufen uns damit Zeit für die grüne Transformation mit intelligenten Netzen und Massenspeichern. Dieses Konzept ist jedoch mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine implodiert. In so einer Situation die verbliebenen drei Kernkraftwerke abzuschalten, war falsch und begründet sich nur aus der ideologischen Sturheit der Grünen auf Bundesebene. Das Rad werden wir vermutlich nicht mehr zurückdrehen können. Für die Zukunft muss aber gelten, dass Deutschland weiterhin auf diesem Feld forscht. Vielleicht werden wir trotz dieser schlimmen politischen Fehlentscheidung das Land sein, in dem Forscherteams Fortschritte bei der Kernfusion erzielen. Dafür müssen jedoch die finanziellen Rahmenbedingungen geschaffen werden und es müsste in diesem Land ein grundsätzlich innovationsfreundlicherer Geist herrschen. Der Kampf gegen den Klimawandel ist zu wichtig, als dass man nur auf Verbote und die Lieblingstechnologien der Grünen, wie Windkraft und Photovoltaik, setzen könnte. Eine erfolgreiche Transformation erfordert einen massiven Ausbau erneuerbarer Energien, wie Windkraft und PV, aber bitte bundesweit verteilt. Darüber hinaus benötigen wir grundlastfähige erneuerbare Energieträger wie Biomasse und immense Anstrengungen in der Forschung und Entwicklung von Speichern sowie intelligenten Netzen.

Die nächsten Wahlkämpfe stehen bereits vor der Tür. Wie sieht die Rolle der Jungen Union bei den Wahlen 2024 in Europa und 2025 in den Kommunen aus und welche Schwerpunkte möchtest du dabei setzen?

Wie auch schon in den hervorragend organisierten Wahlkämpfen zur Kommunalwahl 2020 und Landtagswahl 2021 durch die JU NRW wollen wir auch nächstes und übernächstes Jahr Vorreiter für die Mutterpartei sein. Was uns in der Jungen Union vereint, ist der Wille zum Gestalten und die Lust auf Zukunft. Doch gestalten kann nur, wer demokratische Mehrheiten erringt. Und dafür werden wir in den kommenden Wahlkämpfen gebraucht. Unser Arbeitskreis für Europa und Internationales hat seine Arbeit bereits aufgenommen und viele tolle Veranstaltungsideen entwickelt.

Eins ist klar: Die JU NRW wird auch im Europawahlkampf Maßstäbe setzen. Und auch die Kommunalwahlen 2025 werden jetzt schon vorbereitet. Kommunalwahlen sind JU-Wahlen. Umso wichtiger ist es aber, dass interessierte JU-Mitglieder schon heute Schulungsmöglichkeiten bekommen und an die Kommunalpolitik herangeführt werden. Das kann zum Beispiel als Sachkundiger Bürger geschehen. Als Fraktionsvorsitzender kann ich die CDU-Verantwortlichen vor Ort nur ermutigen, so schnell wie möglich junge Leute in die Arbeit einzubinden und nicht erst kurz vor der Kommunalwahl damit anzufangen. Unsere Mitglieder sind heiß darauf, ihre Heimat zu gestalten. Daher ist es im eigenen Interesse der CDU, dieses wertvolle Engagement nicht nur zuzulassen, sondern aktiv zu fördern.

Welche Themen werden deiner Meinung nach die Wahlkämpfe 2024 und 2025 in NRW bestimmen und wie möchtest du die Positionen der Jungen Union dazu stärken?

Neben der bereits erwähnten Energiewende werden sicherlich auch Themen wie Migration und Infrastruktur eine Rolle spielen. Die öffentlichen Haushalte schieben hohe Investitionssummen vor sich her. Ob Schulen, Straßen oder digitale Infrastruktur – Wirtschaft und Staat müssen hier Hand in Hand einen enormen Kraftakt leisten. Als Junge Union werden wir dabei immer auf das Querschnittsthema Generationengerechtigkeit achten: sowohl was die finanzielle Leistungsfähigkeit angeht als auch die ökologische Nachhaltigkeit zur effektiven und zwingend global erfolgenden Bekämpfung des Klimawandels. Über unsere Arbeitskreise auf Landesebene und die strukturierte Vernetzung mit den Kreisverbänden möchte ich zentrale Forderungen der JU NRW entwickeln, die wir dann mit Beharrlichkeit und Hartnäckigkeit durchsetzen wollen.

Du hast das Thema gerade schon angesprochen: Diese Ausgabe der BISS35 trägt den Titel „Migrationsland NRW – Zwischen christlicher Nächstenliebe und den Grenzen des Machbaren“. Im Weltbild trennt uns gerade von weiten Teilen der Grünen und der SPD sehr vieles. Wie glaubst du, beeinflusst die Ampel-Regierung in Berlin die Migrationspolitik?

Die Ampel, insbesondere SPD und Grüne, arbeitet mit Hochdruck daran, aus dem christlich gebotenen Asylrecht für individuell Verfolgte immer mehr ein allgemeines Recht auf Einreise und Aufenthalt in Deutschland zu machen. Egal ob „Chancenaufenthaltsrecht“ oder „Spurwechsel“ – am Ende sollen die Menschen – egal ob verfolgt oder nicht – in Deutschland bleiben dürfen. Die Grenzen zwischen humanitärer Hilfe, Arbeitskräfteeinwanderung und Einwanderung in die Sozialsysteme verschwimmen immer mehr. Die Städte, Gemeinden und unser Sozialversicherungssystem stehen bereits heute vor immensen Herausforderungen und die Ampel tut alles, um die Probleme zu verschärfen. In dieser Situation senkt die Bundesregierung – für niemanden mehr nachvollziehbar – die Hürden zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit massiv ab. Damit schafft man neue Fehlanreize und bricht mit dem eigentlich bestehenden Grundkonsens der Integrationspolitik: Die Staatsbürgerschaft steht am Ende der Integration und nicht an ihrem Anfang.

Wenn wir in der BISS35 in zehn Jahren auf deine Amtszeit zurückblicken werden, welche Veränderungen möchtest du für NRW und in der Arbeit der Jungen Union erreicht haben und woran möchtest du, dass man sich erinnert?

Ich hoffe sehr, dass NRW durch eine pragmatische, technologieoffene und innovationsfreundliche Politik wirklich auf dem Weg ist, klimaneutrales Industrieland zu werden, anstatt auf Verboten beruhendes Klimaschutzmarketing zu betreiben, das dem Klimaschutz nichts nützt, dafür aber Land und Leute ärmer gemacht hat. Und besonders freuen würde ich mich, wenn die JU daran zumindest einen kleinen Anteil hätte.

Für die JU selbst wünsche ich mir, dass wir durch schlanke und automatisierte Prozesse die Verbandsarbeit vor Ort vereinfacht haben und wir uns mit guter inhaltlicher Arbeit hervorgetan haben, sowie mit unseren Kampagnen Maßstäbe in der Unionsfamilie gesetzt haben. Wenn wir dazu beigetragen haben, dass in NRW weiterhin gute christdemokratische Politik regiert, bin ich sehr zufrieden.

Das Interview führte Maximilian Reinberger am 13. Mai 2023.

Hier kommt ihr zur vollständigen Ausgabe: Biss35

Kontaktperson

Sara Carina Richau

Pressereferentin

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