Zwischen christlicher Nächstenliebe und den Grenzen des Machbaren liegen zahlreiche Wege – und vor allem: Die Aufgaben im Bereich Migration und Integration werden von unseren Kommunen geschultert. Wir haben uns für diese Ausgabe der BISS35 verschiedene gelungene Integrationsprojekte angeschaut und sind mit dem Landrat des Kreis Traunstein (Bayern), Siegfried Walch, über die Herausforderungen seiner Arbeit im Landkreis und mögliche Lösungsansätze für die kommunale Familie ins Gespräch gekommen.

Deutschland hat in den letzten Jahren viele Herausforderungen in Bezug auf Integration und Migration bewältigt. Dabei gibt es – bei allen negativen Schlagzeilen – auch zahlreiche Erfolgsprojekte, die Menschen aus verschiedenen Kulturen und mit unterschiedlichen Hintergründen zusammenbringen.

Ein Projekt, das besonders beeindruckt, ist der talentCAMPus der Volkshochschule Köln in Zusammenarbeit mit dem Kommunalen Integrationszentrum und dem Lernende Region – Netzwerk Köln. Hier können eingewanderte Kinder und Jugendliche im Alter von 10 bis 14 Jahren ihre Stärken und Talente entdecken. Allein im Jahr 2020 nahmen 100 Teilnehmer aus dem Irak, Afghanistan, Polen, Syrien und Brasilien teil. Der talentCAMPus fördert nicht nur ihre Kreativität, sondern hat auch das Ziel, dass die Kinder neue Freundschaften schließen, Deutsch lernen und einen reibungslosen Einstieg in das Regelschulsystem finden. Im Jahr 2022 wurden Workshops zu ganz unterschiedlichen Themen angeboten. Die Kinder und Jugendlichen übten Tänze ein, schrieben Songtexte, schneiderten, arbeiteten mit Keramik und führten Experimente mit Alltagsmaterialien durch.

Ebenso spannend ist das Projekt "KOMM-AN NRW" der Düsseldorfer Landesregierung. Dieses Förderprogramm zielt darauf ab, die Integration von Ausländern in Nordrhein-Westfalen zu unterstützen. Dabei werden lokale Initiativen gefördert, die sich für die Integration von Geflüchteten und Zuwanderern einsetzen. Das Programm deckt verschiedene Bereiche wie Bildung, Arbeitsmarktintegration, Sprachförderung, Kultur und Sport ab. Die geförderten Projekte tragen dazu bei, dass Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammenkommen und voneinander lernen können. Der Austausch und die Begegnung stehen dabei im Vordergrund. In den letzten Jahren haben viele erfolgreiche Initiativen im Rahmen von "KOMM-AN NRW" stattgefunden, darunter Sprachkurse für Geflüchtete, Patenschaftsprogramme und interkulturelle Veranstaltungen. Besonders erfolgreich ist dabei die Initiative "Fahrradwerkstatt für Flüchtlinge" in Mönchengladbach. Hier erhalten Geflüchtete die Möglichkeit anzupacken und ihre Fahrräder selbst zu reparieren. Das Projekt fördert nicht nur die Mobilität, sondern trägt auch dazu bei, dass die Geflüchteten dabei unterstützt werden ihren Alltag eigenverantwortlich zu bewältigen.

Abschließend wird ein Blick auf das Handwerk und die damit verbundenen Chancen geworfen. Das Förderprogramm "Integration durch Qualifizierung" (IQ) wurde bereits 2005 ins Leben gerufen, um die Integration von Migranten in den deutschen Arbeitsmarkt zu erleichtern. IQ wird von einem Zusammenschluss aus zehn Partnern, darunter das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, die Bundesagentur für Arbeit und die Zentralstelle für die Weiterbildung im Handwerk e.V. (ZWH), getragen. Die Anerkennung von Berufsabschlüssen und die damit einhergehende berufliche Perspektive ist ein zentraler Bestandteil gelungener Integration. Durch das IQ-Programm wird daher eine gezielte Unterstützung bei der Prüfung und Anerkennung ausländischer Abschlüsse angeboten. Der zweite Schwerpunkt gelungener Integration und damit auch des IQ-Programms liegt auf der Förderung von Sprachkenntnissen. Dies geschieht durch Kurse und an die Bedürfnisse der Teilnehmer angepassten betriebliche Angebote zur Verbesserung der Sprachkompetenz. Das Programm trägt damit zudem zur interkulturellen Kompetenz von Unternehmen bei und fördert somit offene und integrative Arbeitsumgebungen. Abgerundet wird IQ durch ein umfangreiches Beratungsangebot für Unternehmen und Einwanderer, von der Anerkennung von Abschlüssen bis zum Anwerben von Fachkräften.

Erfolgreiche Integration vor Ort lässt sich in erster Linie durch vielfältige Maßnahmen und engagierte Akteure erreichen. Die vorgestellten Projekte zeigen, dass Integration gelingen kann, wenn Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammenkommen, sich austauschen und voneinander lernen. Auch die Unterstützung bei der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse und die Förderung von Sprachkenntnissen trägt zur Integration in den deutschen Arbeitsmarkt und damit in die Gesellschaft bei. Durch solche integrativen Projekte und Programme können wir eine gemeinsame Zukunft für uns alle gestalten.

Guten Morgen, Herr Walch. Ich würde mit Ihnen gerne über positive kommunale Projekte im Zusammenhang mit dem Thema Migration sprechen. Sie sind Landrat des Kreis Traunstein und haben zuletzt deutschlandweit mit Aussagen zur Überlastung Ihres Landkreises durch die Flüchtlingskrise auf sich aufmerksam gemacht. Daher erlaube ich mir zunächst eine kurze Frage zu diesem Thema: Wenn Sie Nancy Faeser dazu bringen könnten, eine Ihrer Forderungen umzusetzen, welche Forderung wäre das und wieso?

Frau Faser soll für Ordnung in der Migrationspolitik sorgen. Wir brauchen Kontrolle darüber, wer zu uns kommt, wie viele Menschen zu uns kommen und aus welchem Grund.

Als eine von wenigen Kommunen engagieren Sie sich auch in einem Herkunftsland von Flüchtlingen. Wie kam es zu Ihrem Projekt im Libanon und welche Ziele verfolgt der Kreis Traunstein damit?

Ich bin strikter Anhänger einer stark reglementierten Zuwanderung. Ich glaube, wir brauchen qualitative Zuwanderung. Wir haben aber in den letzten Jahren erlebt, dass gerade das nicht stattfindet. Zuwanderung findet unreglementiert und unkontrolliert statt. Wir können nicht allen Menschen, denen es schlechter geht als uns, hier bei uns im Land helfen – das wird nicht funktionieren. Vielmehr müssen wir uns im Herkunftsland engagieren und den Leuten im eigenen Kulturkreis helfen. Das ist nicht nur effektiver, sondern auch menschlicher. Wir erreichen mit einem Euro im Libanon deutlich mehr als mit einem Euro in Deutschland – nach deutschen Sozialstandards und deutschen Kriterien. Genau deshalb versuchen wir, einen Staat wie den Libanon zu unterstützen, der gemessen an seiner eigenen Bevölkerungsanzahl am meisten syrische Flüchtlinge aufgenommen hat. Wir engagieren uns direkt an der syrischen Grenze, wo der Anteil von Flüchtlingen bei bis zu 50 Prozent liegt. Wenn die Situation dort kippt, werden wir in Deutschland einen anderen Migrationseffekt spüren. Genau deshalb versuchen wir dort mit sehr konkreten Maßnahmen zu stabilisieren.

Können Sie uns einen Einblick geben, welche Fortschritte bisher im Rahmen des Projekts gemacht wurden und welche Herausforderungen es dabei zu bewältigen gab?

Man muss den Bedarf vor Ort immer konkret im Blick behalten. In Ländern wie dem Libanon fehlt es oft an grundlegenden Strukturen. Beispielsweise ist die Stromversorgung vor Ort ein großes Problem, das Stromnetz ist vollkommen überlastet. Das war schon vor der Flüchtlingswelle ein Problem und hat sich später noch verschärft. In den letzten Jahren haben wir uns daher massiv auf dieses Thema konzentriert und Kraftwerksanlagen gebaut, etwa PV-Anlagen auf Einrichtungen der zentralen Infrastruktur. So ist es uns gelungen, die Situation vor Ort zu stabilisieren. Unsere Kernthemen sind Strom, Landwirtschaft und Umwelt, damit die Region in der Lage ist, wieder selbstständig zu wirtschaften und auch Landwirtschaft zu betreiben.

Wie können andere Kommunen und Regionen von den Erfahrungen und Ergebnissen des Projekts profitieren und was sind Ihre Empfehlungen für ähnliche Initiativen?

Jede Kommune muss hier ihren eigenen Weg finden und für sich definieren, in welcher Form sie sich engagieren kann. Wenn ich einen Ratschlag geben soll, würde ich sagen, dass es sich lohnt, langfristige und nachhaltige Ziele zu setzen – also lieber weniger und dafür richtig. Alle Projekte, die wir im Libanon umsetzen, versuchen wir auch mit einem Link direkt in unserem Landkreis zu versehen. Wenn wir beispielweise ein PV-Freiflächenanlage etablieren, dann verknüpfen wir die Menschen vor Ort im Libanon mit dem Ausbildungszentrum der Handwerkskammer hier in Traunstein, damit sich das Know-How überträgt und die Menschen vor Ort selbst die Anlagen bedienen können.

Vielen Dank für Ihre Zeit und auch weiterhin alles Gute für die Arbeit im Libanon und im Kreis Traunstein.

von Katharina Terhan

Kontaktperson

Sara Carina Richau

Pressereferentin

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