Thorsten Schick kommt aus Iserlohn und vertritt als direkt gewählter Abgeordneter den Wahlkreis „Märkischer Kreis I“. Er gehört dem nordrhein-westfälischen Landtag mit einer kurzen Unterbrechung seit 2005 an. Seit Ende Juni ist er Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion. Zuvor war er bereits seit 2017 stellvertretender Vorsitzender. Mit BISS35 sprach er über sein neues Amt und die Herausforderungen der neuen Legislaturperiode.

BISS35: Sie sind ganz neu im Job des Fraktionsvorsitzenden. War das eine große Umstellung? Und was bedeutet das für die normale Arbeit als Abgeordneter in Ihrem Wahlkreis?

Thorsten Schick: Das ist eine sehr große Umstellung. Als Abgeordneter bzw. vorher auch als stellvertretender Fraktionsvorsitzender hat man Arbeitsbereiche, um die man sich kümmert. Als Fraktionsvorsitzender ist man letztverantwortlich für alle Entscheidungen, die in der Fraktion getroffen werden. Wenn du derjenige bist – auch in Abstimmung mit den Grünen -, der für eine stabile Mehrheit Sorge trägt, dann musst du dich rund um die Uhr darum kümmern, dass das Klima in der Koalition so gut bleibt, wie es im Augenblick ist. Gerade natürlich bei einer Koalition, die es in dieser Form in Nordrhein-Westfalen noch nie gegeben hat.

BISS35: Die Delegierten der CDU haben den Koalitionsvertrag mit über 99 % zugestimmt. Bei den Grünen votierten knapp 15 % gegen den Vertrag. Mussten die Grünen also mehr Kröten schlucken oder ist die CDU-Basis einfach kompromissbereiter?

Thorsten Schick: Ich glaube, dass beide Parteien Kompromissfähigkeit gezeigt haben. Der Koalitionsvertrag verdient zu Recht das Prädikat Zukunftsvertrag, weil er auf die wichtigen Fragen neue Antworten gibt, zum Beispiel darauf, wie man die Industrie CO2-neutral ausrichten kann. Beim Ausbau regenerativer Energien gehen wir sehr stark voran und denken Stadt und Land zusammen. Natürlich haben wir auch unsere Punkte gemacht, etwa im Bereich der Inneren Sicherheit. In der CDU ist es so, dass wir als langjährige Regierungspartei immer auch möchten, dass eine Regierung insgesamt funktioniert und das hat dann etwas mehr Priorität, als jede einzelne Textpassage im Detail zu diskutieren.

BISS35: Welche Themen stehen für die CDU Fraktion aus ihrer heutigen Perspektive am wichtigsten in dieser Legislaturperiode?

Thorsten Schick: Nordrhein-Westfalen ist Industriestandort und muss Industriestandort bleiben. Wir haben Regionen wie Ost- oder Südwestfalen oder auch weite Teile des Münsterlandes und des Rheinlandes mit einem sehr starken Anteil im produzierenden Gewerbe. Diese Stärke muss erhalten bleiben. Derzeit explodieren aber die Energiekosten. Politik muss Maßnahmen treffen, die bei den Menschen, die Hilfe brauchen, bei Familien, aber auch beim Mittelstand und der energieintensiven Industrie, wirklich ankommen, so dass die Arbeitsplätze erhalten bleiben. Gleichzeitig gilt das Ziel, Emissionen zu reduzieren und den Sprung in eine Industriepolitik zu schaffen, die Ökonomie und Ökologie versöhnt. Das ist die größte Herausforderung, die wir haben.

BISS35: Im Gegensatz zur hauchdünnen schwarz-gelben Mehrheit in der vergangenen Wahlperiode verfügt Schwarz-Grün über eine satte Mehrheit im Landtag. Die Grünen gelten aber nicht gerade als unser Wunschpartner. Ist die Fraktionsarbeit also einfacher oder schwieriger als bisher und welches Projekt aus dem Koalitionsvertrag bietet das meiste Konfliktpotential?

Thorsten Schick: Es ist nicht meine Art, im Vorfeld schon Konflikte herbeizureden. Wer Sollbruchstellen definiert, der beschäftigt sich ja nicht mit Lösungen. Nach den ersten Erfahrungen bin ich sicher, dass wir als schwarz-grüne Koalition genauso erfolgreich für Nordrhein-Westfalen arbeiten können, wie das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. Was dafür notwendig ist, werde ich tun. Man kann vieles so abstimmen, dass es reibungslos verläuft und sich trotzdem jeder Partner profilieren kann. Wir bleiben ja zwei unterschiedliche Parteien. Das Thema Windenergie ist aber doch der beste Beleg dafür, dass es mit dem Zukunftsvertrag gelungen ist, zwei Ansätze zusammenzuführen. Beide Koalitionspartner haben hier ihre Fähigkeiten, in bestimmte Gruppen hineinzuwirken. Viele Medien hatten prophezeit, dies sei die Sollbruchstelle der Koalition. Aber statt Problemen haben wir erfolgreiche Lösungen definiert.

BISS35: Nicht nur die beiden Parteien CDU und Grüne müssen in NRW erstmal im Parlament zusammenfinden, sondern auch bei der Grünen Jugend und der Jungen Union entsteht unweigerlich ein neues Verhältnis zueinander. Einen Tipp aus Ihren ersten Erfahrungen mit den Grünen: Was würden Sie den Vertretern der Jugendorganisationen im Umgang miteinander raten?

Thorsten Schick: Ich rate zu großer Offenheit. Ich habe das erlebt gemeinsam mit der grünen Fraktionsspitze um Verena Schäffer und Wibke Brems. Wenn man offen aufeinander zugeht und von Anfang an vertrauensvoll miteinander spricht, trotz aller inhaltlicher Differenzen, die es natürlich gibt, dann kann man gut zusammenarbeiten. Die besondere Situation, dass die Grünen in der Bundesregierung Teil der Ampel sind und im Land mit uns regieren, macht es natürlich zu einer Herausforderung, steht aber einer vertrauensvollen Diskussionskultur nicht im Weg. Und durch das Gelingen der Zusammenarbeit der beiden Fraktionen hier im Düsseldorfer Landtag kann es auch zu einer guten Zusammenarbeit der Jugendorganisationen kommen. Wenn man sich offen austauscht, auch und gerade mit den unterschiedlichen Erfahrungen in den unterschiedlichen Milieus, kann das ein großer Gewinn auch für die Jugendorganisationen beider Parteien sein.

BISS35: In den Koalitionsverhandlungen hat man sich auf ein Wahlrecht ab 16 für die nächste Landtagswahl geeinigt. Die CDU war immer dagegen. Die Junge Union auch. Liegt darin trotzdem auch eine Chance, junge Leute für unsere Politik zu begeistern?

Thorsten Schick: Nicht nur trotzdem, darin liegt sogar eine große Chance. Wer stellt denn in der Fläche die Bürgermeister, das sind ja nicht die Grünen oder die FDP? Die CDU ist die Kommunal-Partei in Deutschland und auch hier in Nordrhein-Westfalen. Wenn man als junger Mensch beginnt, sich politisch zu engagieren, dann sind es doch oft die vermeintlich kleinen Veränderungen vor Ort, die man bewirken will und bei entsprechendem Engagement auch umsetzen kann. Diese Erfolge sind das Eintrittsticket in die Politik, hier müssen CDU und Junge Union aktiv und stark sein: Wir müssen Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Türen öffnen, schon früh im Leben Politik vor Ort mitzugestalten. Gerade für uns als CDU liegt darin eine Chance. Ich bin selbst ein gutes Beispiel dafür, war schon als Schüler als sachkundiger Bürger im Rat aktiv. Wer sich heute vor Ort und in der JU engagiert, kann morgen im Rathaus oder Kreistag sitzen, in ein paar Jahren vielleicht im Landtag und wird womöglich eines Tages Fraktionsvorsitzender.

Von Frederik Müller
Das Gespräch führte Sara Carina Richau

Kontaktperson

Arvid Hans Hüsgen

Pressesprecher

+49 211 1360048

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